Wenn ich eine Vision von Schule habe, dann gehört sicherlich die hausaufgabenfreie Schule mit dazu.
Hausaufgaben, in der Form, wie sie gängigerweise praktiziert werden (auch an unserer Schule) bedeuten für fast alle Beteiligten Stress.
Sie müssen gut durchdacht und vorbereitet werden, machen nur Sinn, wenn man sie wertschätzt und ärgern, wenn sie nicht erledigt oder gemacht werden.
Zudem ist es nahezu unmöglich, allgemeine Hausaufgaben zu erteilen, in unserer Klasse machen fast alle Kinder unterschiedliche Hausaufgaben.
Das führt zu Verdruss bei den Eltern, die nicht mal eben beim Nachbar nachfragen können, was die 1a denn heute aufhat, sofern das eigene Kind das nicht mitbekommen haben sollte.
Hausaufgaben kosten eine Menge Zeit in der Schule und viele Nerven am Nachmittag. Wenn die Kinder viel mehr das Lernen lernen oder offene Aufgabenformate erhalten, ließe sich der Hausaufgabenfrust sicher minimieren.
Würden wir die Zeit, die wir in der Schule mit dem Erklären, Austeilen, Einsammeln, Vergleichen und Kontrollieren der Hausaufgaben für echte Lernzeit nutzen, so wäre der Effekt ein weitaus nachhaltiger, als irgendwelche Hausaufgaben das je bewirken könnten.
Hausaufgaben jedoch scheinen, insbesondere für Eltern, aber auch für viele meiner Kolleginnen und Kollegen dazu zugehören. Warum, das konnte mir bislang noch niemand plausibel erklären. Ich höre Aussagen wie:
"Aber das Einmaleins muss man nunmal zu Hause auswendig lernen!" oder
"Kinder müssen lernen Pflichten zu haben!"Letzteres können sie - ich halte das durchaus auch für wichtig - auch auf andere Art und Weise lernen.
Für manches jedoch ist die Zeit einfach noch nicht reif und so ergebe ich mich derzeit dem Hausaufagentrott, im Hinterkopf aber ganz andere Ideen verfolgend.
Ich weigere mich, zu viel Zeit in Hausaufgaben zu investieren und so erteile ich häufig (immer klappt es leider nicht) Wochenhausaufgaben.
Die werden am Montag mit den nötigen, kurzen Erklärungen ausgeteilt bzw. notiert und am Freitag legen die Kinder die Hausaufgaben selbstständig in unser Kontrollfach.
Ich sehe keine Notwendigkeit darin, hinter fehlenden Hausaufgaben hinterherzutelefonieren, Briefe zu schreiben oder mich gar aufzuregen.
In der Regel werden sie gemacht, mal mehr mal weniger und das muss reichen.
Die Rückmeldungen der Eltern, für die Hausaufgaben in der Tat ein sehr wichtiges Thema sind, reichen grundsätzlich von
"viel zu viel" bis hin zu
"viel zu wenig". Nicht zu vergessen:
"viel zu leicht" und
"viel zu schwierig"!Es gibt Eltern und Geschwister, die gerne die Hausaufgaben für die eigenen Kinder oder den eigenen Bruder, die eigene Schwester anfertigen und spricht man die Kinder darauf an, geben sie das meistens offen und ehrlich zu.
Sinnloser können Hausaufgaben gar nicht mehr werden.
Im Bemühen, jedem Kind individuelle Hausaufgaben aufzugeben, wird die Notation schwierig. Es mangelt mir an Zeit und Einsicht, mit jedem Kind die individuelle Hausaufgabe zu notieren. Also zeichnen wir rasch jeden Montag ein einfaches Haus in unser Logbuch an die dafür vorgesehene Stelle.
Das ist die schlichte Erinnerung daran, dass es eine Hausaufgabe gibt und die Kinder müssten eigentlich wissen, was zu tun ist.
Dem ist natürlich nicht immer so und das ärgert einige Eltern, die durchaus die Meinung vertreten, ihr Kind sei noch viel zu klein, um sich so etwas merken zu können.
Nun, das sehe ich grundsätzlich anders, aber ich kann die elterliche Sicht durchaus nachvollziehen, wenn auch nicht verstehen.
Manchmal gelingt es mir, Wochenhausaufgabenhefter anzufertigen. Einige Kinder bekommen Hausaufgaben in den Arbeitsheften unserer Lehrwerke auf, andere erhalten dann hin und wieder - so wie morgen - einen Schnellhefter.
Morgen gibt es drei unterschiedliche:
Hefter 1,
Hefter 2 und
Hefter 3.
Einige der Hefter kommen in die Restekiste, so dass sie zu einem späteren Zeitpunkt auch noch bearbeitet werden können.
Die Blätter sind im Grunde beliebig austauschbar und ich stelle sie so zusammen, wie es für das einzelne Kind passt.
Das Heraussuchen geeigneter Blätter dauert immer länger als das Selbsterstellen und so gelingt es mir hin und wieder - sehr unregelmäßig - mit solchen Hausaufgabenmappen zu arbeiten.
Das sind immer sehr entspannte Hausaufgabenwochen.
Die Kinder wissen, dass sie nur den einen Hefter bearbeiten müssen, die Eltern und die Kolleginnen und Kollegen im Ganztag und der alternativen Betreuung finden sich auch bestens zurecht.
Am Freitag, bei manchen Kindern auch früher, werden die Hefter in das Kontrollfach gelegt, ohne dass ich die Kinder dazu auffordern muss. Das geschieht mittlerweile bei den meisten automatisch und die wenigen, die es vergessen, werden durch die Vorgänge in der Klasse ja immer darauf aufmerksam gemacht.
Ich schaue die Hefter durch, dann werden sie in die Aktenordner der Kinder geheftet.
Das ist die Kompromisslösung.
Ich nehme an, dass die Hausaufgaben auf dem nächsten Pflegschaftsabend ein Thema sein werden.
Und generell immer ein Thema bleiben werden.
Visionen sind ja da, um sie zu verfolgen.
Und ich kann geduldig sein.