Stundenplanbesprechung mit der Musikschule.
Wie in jedem Jahr ringen wir um die vielen
JeKi und mittlerweile auch
JeKITS Stunden und wie bereits seit mehreren Jahren frage ich mich, warum wir nicht den Mut haben, dieses Projekt an unserer Schule auslaufen zu lassen.....
Wir inkludieren Kinder mit den unterschiedlichsten Förderschwerpunkten, schulen zunehmend früher bzw. jünger ein, integrieren Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse, unterrichten Englisch ab Klasse 1, fördern und fordern, holen jedes Kind dort ab, wo es steht, leben mit gänzlich überfrachteten Lehrplänen, bemühen uns um JeKi und JeKITS und erkennen in all dem Wust nicht, dass das ALLES viel zu wenig ist für unsere Kinder.
Denn längst schon machen wir nichts mehr richtig, sondern alles halb.
Weniger wäre mehr.
Mehr WERT für unsere Kinder.
Das zu sagen ist nicht Mainstream. Das öffentlich zu äußern nahezu empörend. Klingt es doch danach, als gönne man den Kindern den musischen Genuss nicht. Die gänzlich andere Lebenserfahrung und kulturelle Bereicherung.
Was ich unseren Kindern vor allem gönne ist ein Lernen Ruhe und Muße. Zeit für das Lernen, das Ausprobieren. Lernen ohne Hetze. Alles mitzumachen, jedes Projekt zu unterstützen, den Vormittag noch voller werden zu lassen ist zu wenig für unsere Kinder.
Sie haben viel mehr verdient.
Sie haben es verdient, sich mit einer Sache so lange auseinanderzusetzen, bis sie sie begriffen, erlebt, durchlebt, erfahren haben.
Das ständige Anreißen von unzählig vielen Lernmomenten und unterschiedlichen Projekten bleibt nicht nachhaltig.
Vordergründiger Aktivismus, der eine tolle Außenwirkung hat, den Kindern aber keine neuen Erfahrungsräume erschließt, sondern zu Stress führt.
Natürlich ist es für Eltern eine tolle Sache, wenn die Kinder im Vormittagsbereich in den Genuss einer instrumentalen Ausbildung kommen.
Nur zu welchem Preis?
Was für die Eltern bequem ist, ein Nachmittagstermin fällt weg, bedeutet für die Kinder eine noch vollgestopftere Schulwoche. Ein nahezu unmöglich zu leistendes Organisationspensum.
Ich sehe meine eigene Tochter noch heute in Klasse 2 mit Tornister, Turnbeutel und Gitarrenkoffer zur Schule gehen. Leider gab es an ihrer Schule nicht die Möglichkeit, Jeki freiwillig mitzumachen, sondern jeder musste, ob er wollte oder nicht.
Bei uns muss nicht jeder, aber viele möchten. Viele Eltern. Bei den Kindern bin ich mir da nicht so sicher.
Nach fünf Stunden Unterricht folgt die Jekistunde. Natürlich ist die Konzentration und Motivation nicht so gegeben, wie am Nachmittag, wenn Kinder möglicherweise freiwillig Musikschulunterricht nehmen.
Kaum jemand macht sich klar, welch volle Woche die Kinder mittlerweile schon in der Grundschule haben.
Wir machen eben ALLES.
Und das klingt erstmal toll.
Ist es aber nicht.
Die Musikschule hier vor Ort leistet eine
hervorragende Arbeit. Die JeKistunden an allen Schulen zu organisieren,
von Schule zu Schule zu hetzen, immer unter Zeitdruck zu stehen, Kinder
an Instrumenten zu unterrichten, die möglicherweise gar nicht "ihre"
sind - all das ist mit einer hohen Belastung verbunden und ich zolle den Kolleginnen und Kollegen all meinen Respekt.
Als Mama oder Papa möchte man selbstverständlich das Beste für das Kind. Und das Beste heißt in unserer Gesellschaft: Möglichst viel, möglichst früh!
Ich halte das für den gänzlich falschen Ansatz.
Da wundern wir uns, dass Kinder bereits hektisch sind, unruhig, unkonzentriert.
Das darf uns nicht wundern, denn wir machen die Kinder zu dem, was sie sind.
Wir überfrachten und überladen, immer im besten Sinne und guten Glauben, aber längst nicht gut getan.
Ich möchte zurückkehren zur Langsamkeit. Zur Nachhaltigkeit, zur Sinnhaftigkeit.
Nicht jedes Kind muss ein Instrument erlernen. Vielleicht fangen wir ersteinmal mit der deutschen Sprache an und lernen nacheinander und nicht zeitgleich ALLES.
Das macht unsere Kinder nicht zu klügeren, besseren, schnelleren, tolleren, begabteren Menschen.
Es vereitelt unseren Kindern die Chance auf angemessenes und geruhsames Lernen.
Je mehr Projekte, Vorhaben und Kooperationspartner wir in die Schule holen, je lebendiger wird es bei uns.
Aber lebendig ist nicht immer so positiv, wie es klingt.
Raumorganisation, Übergänge, fliegende Wechsel bringen vor allem eine Unruhe in die Schule, die nicht immer förderlich ist.
Alles machbar, alles organisierbar, alles strukturierbar, aber auf Kosten aller Beteiligten.
Wir holen mehr und mehr in unsere Schulen und überfrachten das System. Auch unser Schulvormittag hat nur sechs Stunden. Und Kinder brauchen Raum und Zeit zum Kindsein und Spielen. Für fantastische Kinderwelten bleibt kaum Zeit, weil die Tage exakt durchgetaktet sind.
Ich bedauere diese Entwicklung sehr. Und ich habe nicht den Eindruck, dass sie zu viel Gutem führt.
Aber als Schulleitung entscheidet man nicht (immer) autark und uneingebunden.
Versuchen wir also an anderer Stelle nachhaltig und in Ruhe zu agieren und Lernräume und -möglichkeiten zu schaffen, die den Kindern entgegenkommen.
Wenn uns das gelingt, gelingt uns viel.
Liebe Susanne,
da ich im November erst mein Referendariat beendet habe und nun im August ebenfalls eine neue erste Klasse bekomme, bin ich äußerst dankbar für deine tollen Materialien, aber auch für die informativen Einblicke in den Schulalltag ("Wie gestalte ich einen Elternabend" /"Was kann auf den ersten Elternbrief" etc), und die pädagogischen Texte. Von daher VIELEN DANK schonmal für die tolle Hilfe, auch im Sinne meiner zukünftigen Eisbären :-)
Liebe Grüße,
Sarah
vom 28.06.2016, 22.20
Viel Erfolg und viel Spaß mit der ersten eigenen Klasse! Die erste eigene Klasse ist immer etwas Besonderes!