Ich las neulich
diesen interessanten Artikel über fehlendes Material bei Schülerinnen und Schülern und den Umgang der Lehrer mit dieser Situation und mir kam vieles in dem Bericht sehr bekannt vor.
Neben diesen und ähnlichen Artikeln lesen wir immer wieder in den Medien, dass Schulen in Deutschland bei der Chancengleichheit versagen. Dabei stelle ich bei mir und den meisten Kolleginnen und Kollegen doch immer das Weltrettungssyndrom fest.
Es stellt sich also die berechtigte Frage, was ist das eigentliche Problem?
Sind es die überzogenen Ansprüche der Schulen, was den Material- und Ausstattungsbedarf der Kinder angeht oder mangelt es den Eltern an Interesse an der Schulbildung ihrer Kinder?
Krankt unser Schulsystem vom Grunde her, mangelt es den Schulen an Ausstattung und Geldern oder haben wir Lehrer verlernt, dass weniger manchmal mehr ist?
Dieser Fragenkatalog ließe sich endlos fortsetzen, jedoch ohne jeglichen Nutzen.
Da wir andere Menschen nicht ändern können, ihre Haltung, ihr Interesse und ihr Kümmern nicht wirklich beeinflussen können, können wir immer nur bei uns selbst ansetzen.
Minimieren täte uns gut.
Wir brauchen keine zehn Schnellhefter, keine unzählig vielen Mappen, Stifte, Prospekthüllen und Hefte.
Schulische Bildung ist nicht abhängig vom Materialaufwand oder anders: Sollte es zumindest nicht sein.
Es muss nicht der teure Wasserfarbkasten sein, auch wenn die Farben meinetwegen mehr decken, schöner strahlen und überhaupt.
Darum geht es nicht, wenn wir Kinder malen lassen oder?
Je weniger an Materialien wir einfordern, desto übersichtlicher bleiben die Klassen und somit auch das Lernen.
Und je seltener müssen wir uns ärgern, wenn Material nicht vorhanden ist.
Warum das Material nicht vorhanden ist, mag unterschiedliche Gründe haben. Allen Eltern Desinteresse vorzuwerfen ist an dieser Stelle ein ebenso unfaires Pauschalurteil wie allen Schulen vorzuwerfen sie versagen bei der Chancengleichheit.
Natürlich können wir darüber lamentieren, dass den Schulern Geldern fehlen. Allein das Lamentieren ändert die Situation nicht. Wie also damit umgehen?
Den Ausweg, den viele Kolleginnen und Kollegen wählen, ist der oben beschriebene. Rasch mal ein Heft für das eine Kind kaufen, ein Frühstück für das andere Kind mitbringen, BUT Anträge für Eltern ausfüllen, die dies alleine nicht schaffen, können oder wollen.
Die Konsequenz ist: Dem Kind geht es besser als vorher, der Kollege ist frustriert.
Die Eltern sind entweder äußerst dankbar oder aber sie nehmen zur Kenntnis, dass sie sich gar nicht kümmern müssen, denn das erledigt ja bereits der weltrettende Lehrer.
Spielen wir nicht den Weltretter, kann das Kind möglicherweise nicht so mitarbeiten wie es sollte und könnte, befinden wir uns eventuell fernab des ehrenwerten Ziels der Chancengleichheit.
Wie kann das sein?
Wann ist Bildung materialabhängig geworden?
Oder ist es gar nicht die Bildung, die materialabhängig geworden ist, sondern wir Lehrer?
Wo stehen wir mit unseren eigenen Ansprüchen, wo stehen wir mit unserer eigenen Fähigkeit zu minimieren, Ansprüche zu reduzieren und uns auf Ursprüngliches zu besinnen?
Ich beziehe mich da explizit ein.
Natürlich ärgere ich mich über mangelnde Gelder für Schulbücher, eine angemessene Ausstattung und die Bürokratie, die hinter all dem steht.
Schulbücher werden jährlich teurer, der Schulbuchetat stagniert jedoch seit vielen Jahren.
Das muss, um Veränderung zu bewirken, an den richtigen Stellen kommuniziert werden, hilft uns vor Ort aber momentan nicht weiter.
Die tägliche Auseinandersetzung mit fehlenden Materialien, fehlendem Frühstück, verlorenen Heften und Büchern, nicht erreichbaren Eltern, Desinteresse und Ignoranz kann zermürbend sein.
Zermürbend jedoch ist auch unsere Einstellung alle immer und überall glücklich machen zu wollen, jedes Kind retten zu wollen, alles schön und komplett und hübsch haben zu wollen.
Damit letztlich nicht wir es sind, die an dem System erkranken, bleibt uns nur, darauf zu schauen, was ist unsere Aufgabe und an welchen Stellen können wir ganz ohne schlechtes Gewissen sagen:
Das ist nicht mein Job!Das ist genau der Punkt, in dem wir zunehmend versagen.
Weil wir eben doch ein schlechtes Gewissen haben, weil wir das Gefühl haben, uns doch noch rasch um dieses und jedes kümmern zu müssen, weil wir uns wünschen, dass es jedem Kind gut geht.
Zum Gutgehen gehört vielleicht nicht zwingend der Wasserfarbkasten oder der Silbenstift.
Zum Gutgehen gehört vielleicht vor allem, angenommen werden so wie man ist, einen Schulvormittag lang Sicherheit, Beständigkeit und Wohlwollen zu erleben. Zuneigung zu erfahren und ein verbales Kümmern.
Wenn es uns gelingt, Kindern das zu vermitteln, ist das weitaus mehr wert, als einen rosa Schnellhefter zu kaufen, eine Schere oder einen Zeichenblock.
Aber das ist nur meine ganz persönliche Überzeugung!
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vom 16.11.2024, 07.20