Manchmal werde ich gefragt, welche Bücher sich eignen, um sich auf die Schulleitungsfunktion vorzubereiten oder in den ersten Monaten gut zurecht zu kommen.
Ich antworte in der Regel, dass es keine Bücher gibt, die auf die Realität vorbereiten, aber wenn ich noch einmal diesen Weg gehen würde - und das würde ich immer wieder - würde ich mir selbst raten, nicht ganz so naiv in die neue Funktion zu gehen.
Ich habe in der Tat immer gedacht, es reicht aus, nett zu sein, seinen Beruf mit Professionalität, Hingabe, Kompetenz und Leidenschaft auszuüben, immer das Beste für Kinder, Eltern und Kollegen zu wollen und Probleme konstruktiv anzugehen und versuchen Lösungen zu finden.
So einfach ist es nicht. Das habe ich schnell gelernt und kein Buch der Welt hat mich darauf vorbereitet.
Das, was man wirklich braucht, ist eine "dicke Haut".
Darum gefällt mir das Bild des Elefanten so gut, auf das ich schaue, wenn ich daheim am Laptop sitze.
Die unterschiedlichen Bedürfnisse und Ansprüche, die von vielen Seiten auf Schulleitung einströmen, sind nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen.
Die Balance zu halten zwischen Kooperation und Selbstbehauptung, das Aufeinanderabstimmen der Erwartungen aller Beteiligten ist und bleibt immer spannend, kann aber auch zuweilen nervenaufreibend und zermürbend sein.
Die Vision des Teams von "guter Schule", die eigenen Visionen, das, was man bewirken möchte, kollidiert so manches Mal mit den Vorstellungen von Schulträger, Schulaufsicht, Erlassen, Gesetzen, Reformen und Lehrplänen. Ganz zu schweigen von Elternerwartungen, das, was unsere Kinder brauchen und dem, was das Team zu leisten vermag.
Rahmenbedingungen sind nicht immer optimal, die Fähigkeit zu minimieren, zu reduzieren, umzudenken und fantasievoll und effektiv mit den Gegebenheiten vor Ort umgehen zu können, fiel und fällt mir nicht immer leicht.
Aber ich habe gelernt, unbequem zu sein. Nicht zu netzwerken, wenn das Netzwerktreffen sinnlos erscheint. Nicht "ja" zu sagen, wenn wir "nein" meinen und durchaus auch mal als Querulantin und Hauptbedenkenträgerin aufzutreten und zu gelten.
Das liest sich sehr viel leichter als es ist und kostet manch schlaflose Nacht. Vielleicht, weil die Haut letztlich immer noch nicht dick genug ist, vielleicht weil Diplomatie nicht meine Stärke ist.
Das, was für mich am schwierigsten zu akzeptieren war ist, dass nicht alle Menschen einverstanden sind mit dem was wir und wie wir es tun.
Dass es immer Menschen gibt, die Fehler finden, die unzufrieden sind, die uns ihre eigenen Ideen "überstülpen" möchten, sich beschweren und das nicht konstruktiv, sondern niedermachend und durchaus auch verletzend.
Der Wechsel vom Lehrer- zum Schulleiterdasein ändert dahingehend die Position, dass die Anzahl der Institutionen, Menschen und Kooperationspartner mit denen wir uns vernetzen möchten, sollen und müssen, sich zahlenmäßig mehr als verdoppeln und wir uns mit den Erwartungshaltungen dieser Einrichtungen und Menschen intensiv auseinandersetzen müssen.
Das, was am meisten zählt, was unabdingbar ist und wertvoll ist ein gutes Team.
Wir haben das große Glück, zum einen ein Schulleitungsteam zu sein (Rektorin/Konrektorin), etwas, das heute längst nicht mehr selbstverständlich ist, aber eine ernorm wichtige Ressource, weil wir uns gegenseitig stützen, helfen und durchaus auch erden können.
Zum anderen steht ein Team hinter uns, das sich begeistern lässt, das zuverlässig ist, zusammenhält, motiviert ist und Schulentwicklung aktiv betreiben möchte und betreibt.
Ohne diese beiden verlässlichen Teams wäre Schulentwicklung nahezu unmöglich.
In dem Wissen, das Team stärkt uns als Schulleitung den Rücken - und sicher auch umgekehrt - fällt es ein wenig leichter, unbequem zu sein und Angebote von Kooperationspartnern auch einfach mal abzulehnen, wenn sie wenig sinnvolle und keine entlastende Strukturen aufweisen.
Zu lernen bleibt dennoch viel. Die "dicke Haut" wächst nicht über Nacht, auch nicht die Fähigkeit über einigen Dingen zu stehen.
Aber es lernt sich nicht aus Büchern, obwohl ich viele las, es lernt sich nur im Schulalltag und mit den richtigen Wegbegleitern.
Es war ein steiniger Weg bis heute, bis dort, wo unsere Schule jetzt steht. Es gab viele Rückschläge und ich stand oft kurz davor, alles "hinzuwerfen".
Nun bin ich froh, dass wir gemeinsam durchgehalten haben und freue mich auf den Neubeginn.
Das, was sich hier alles so leicht und nett liest, war und ist nicht immer so entspannt wie es klingen mag.
ABER es lohnt sich und ist jede Mühe wert!
Du deutest mit der "dicken Haut" etwas an, was ich von einem ehemaligen IBM-Manager folgendermaßen hörte:
Je höher man in der Hierarchie aufsteigt, umso mehr muss man Freude am Mist der Anderen haben und haben wollen. Vorher musste man sich nur mit dem eigenen Mist beschäftigen, was vielleicht 5% der ganzen Arbeit ausmachte. Aber sobald man Verantwortung für Mitarbeiter übernimmt, übernimmt auch ihre 5% Mist. Bei 20 Mitarbeitern macht das also... ;-) Man benötigt Freude an Problemen, auf lösbare und unlösbare, um langfristig nicht an ihnen kaputt zu gehen.
Ich frage seitdem gerne: Könntest du dir als Schulleiterin vorstellen, stattdessen auch als Milchbäuerin zu arbeiten? Denn auch da würdest du mit viel Mist zu tun haben. Und wenn die Antwort "ja" lautet, dann ist Schulleitung genau das Richtige! ;-)
vom 21.07.2016, 11.06
;-)
Das war mein Schmunzler des Morgens.
Allerdings ist die Sichtweise des IBM-Managers - wenn auch durchaus nachvollziehbar - doch sehr einseitig und negativ.
Wenn sich Negatives steigert, dann auch Positives.
Man muss nur seinen Blick dafür öffnen (können) und das ist manchmal verdammt schwierig.