"Fördermöglichkeiten der Grundschule wurden noch nicht ausgeschöpft" - so lautet es häufig in den Ablehnungen zur Eröffnung einer Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs. Und ja, das ist vom Grunde her richtig, wird den Kindern, die es betrifft aber leider nicht gerecht und stellt uns vor ganz neue Herausforderungen.
Bei der Herrichtung des Klassenraumes vor der Einschulung dachte ich, wir wären materialmäßig äußerst gut und vielseitig aufgestellt. Im Zuge des ersten Halbjahres stellte sich nun aber heraus, dass dem nur bedingt so ist. Konfrontiert mit Krankheitsbildern und Beeinträchtigungen, die mir bislang fremd waren, begann nun die Suche nach neuen Arbeitsmitteln, neuen Motivationsmöglichkeiten und noch mehr Differenzierung.
Ich erlebte, dass Materialien, die mir in den Vorjahren gute Dienste geleistet hatten, nun nicht angenommen werden, zu schwer zu handhaben sind oder noch nicht verstanden werden.
Anders als in den Vorjahren gibt es nur eine sehr kleine leistungshomogene Gruppe innerhalb der Klasse, so dass eine Dreifachdifferenzierung längst nicht mehr ausreicht.
Neben motorischen Förderbedarfen gilt es häufig die Wahrnehmung zu schulen und im Förderschwerpunkt "geistige Entwicklung" noch kleinschrittiger zu arbeiten als ohnehin schon vorgesehen.
Noch seltener als sonst finde ich fertige Materialien und Lernspiele, die zu der Klasse passen. Das in den Vorjahren heiß geliebte und häufig genutzte
Nikitin Material wird nicht angenommen und verstaubt im Regal.
Allen Kinder zu eigen ist, dass sie ein großes Bedürfnis haben zu spielen. Der "Offene Anfang" an unserer Schule wird grundsätzlich für freies Spiel, Bauen mit schlichten Bauklötzen oder Konstruieren von Fahrzeugen mit geeigneten Materialien genutzt.
Es herrscht eine hohe Sozialkompetenz und Hilfsbereitschaft innerhalb der Klasse und die Kinder nehmen sich gegenseitig, vorbehaltlos, so an, wie sie sind.
Es ist gänzlich unproblematisch, dass jeder an unterschiedlichen Inhalten und mit unterschiedlichen Materialien arbeitet, nur die geeigneten Materialien zu finden gestaltet sich mitunter als schwierig.
Ich habe neulich auf
gpaed.de die strukturierten Arbeitsmappen entdeckt und fand die Art und Weise, Material anzubieten zunächst perfekt für einige Kinder meiner Klasse. Die Vorteile sind:
* das Material nimmt wenig Platz weg
* es geht selten etwas verloren
* es besteht eine gute Überschaubarkeit
* das Material ist leicht zu transportieren
* es lässt sich vielfältig und für alle Lernbereiche erstellen und nutzen
In der Praxis haben sich die Mappen gut bewährt und ich werde sicherlich noch weitere Mappen erstellen. Die Nachteile jedoch sind zum einen, dass sich das Klettband durchaus manchmal nur schwer lösen lässt und zum anderen, dass die steten ratschenden Geräusche in einer großen Lerngruppe durchaus störend sein können.
Also geht die Suche weiter und ich erstelle gerade Material für eine Art magnetische Lernstation, das sicherlich leise und vielseitig zu handhaben sein wird, jedoch nicht mobil genug ist, um es mit nach Hause zu geben oder gut zu transportieren. Dafür wird es als eine Art feste Lernstation innerhalb der Klasse installiert sein und vielen Kindern die Möglichkeit geben, damit zu arbeiten.
Problematisch ist, dass die Arbeitskärtchen eine gewisse Größe nicht unterschreiten dürfen, damit alle Kinder sie gut handhaben können. Das führt dazu, dass immer nur wenige Karten auf die
einfache Magnettafel passen.
Die Übersichtlichkeit ist jedoch gegeben und somit werde ich das Material einfach testen.
Für die Kärtchen nutze ich ein Teeregal, das neulich in einem anderen Blog vorgestellt wurde und günstig in diversen Läden angeboten wird.
Magnetisch ist das Material, damit die Kärtchen nicht lose herumliegen und auch mal durch die Klasse getragen werden kann.
Ob es sich bewährt, wird sich zeigen.
Das Inklusionsmaterial, das die einzelnen Verlage anbieten, überschreitet häufig die Kompetenz vieler Kinder unserer Lerngruppe. Einzelne Seiten sind dann nutzbar, doch dafür ist das Material häufig zu teuer.
Anders sieht es für die Kinder ohne spezielle Förderbedarfe aus. Hier ist der Markt tatsächlich überschwemmt mit vielseitigen Vorlagen und Materialien und es ist selten schwierig, etwas Geeignetes zu finden.
Eine Lehrerin der weiterführenden Schule fragte mich neulich, ob die Schere, die da zwischen den Kindern im ersten Schuljahr bestünde, am Ende der Vier nicht mehr vorhanden wäre und wir wir das bewirken würden.
Als ich antwortete, dass sei gar nicht unser Ziel, gab es Erstaunden und Irritation. Was denn unser Ziel sei, wollte sie wissen.
Unser Ziel kann es nur sein, jedes Kind bestmöglich zu fördern und vor allem auch zu fordern. Das bedeutet ganz sicher nicht, dass am Ende des vierten Schuljahres alles dasselbe gelernt haben und können. Wie denn auch? Sind wir doch alle keine Zauberer!
Wir können den Kindern immer nur eine solide Grundlage nach ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten geben und die sind - insbesondere im Zuge der Inklusion - unterschiedlicher denn je.
Aus allen das Bestmögliche "herauszukitzeln" ist die Herausforderung vor der wir stehen und das unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir auch nur Menschen sind.
Menschen mit einem Privatleben und Grenzen - zeitlicher und kräftemäßiger Art.
Das nicht aus den Augen zu verlieren sollte unser vorrangiges Ziel sein.
Denn verbrauchte, frustrierte Lehrer motivieren niemanden. So wie wir die Grenzen der Kinder erkennen und akzeptieren, müssen wir lernen, unsere Grenzen wahrzunehmen und zu achten.
Ich warte immer noch darauf, dass Entscheidungsträger unseren Unterricht besuchen und bewusst wahrnehmen, welche Herausforderungen täglich auf uns warten.
Konzepte am Schreibtisch zu entwickeln ist einfach, Papier ist geduldig, aber das wahre Schulleben braucht weniger Papier als viel mehr Ressourcen, Geld und neue Ideen.
Ich bin glücklich mit meiner Lerngruppe, weil es zauberhafte Kinder sind, die mich jeden Morgen erwarten.
Aber ich habe kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich nicht täglich jedem einzelnen Kind gerecht werden kann.
Ich versuche es, ich versuche es gerne und immer wieder, aber ich bin auch bereit die Grenzen der Inklusion zu erkennen und zu akzeptieren.
Auch wenn ich sie liebend gerne überwinden würde!
Zum Thema Inklusion könnte ich jetzt als Förderschullehrerin viieeel schreiben. Ich finde es immer toll, wenn die Regelschullehrer die Kinder so annehmen wie sie sind und vor allem selbst nach Möglichkeiten zur Förderung suchen, statt dies immer nur "uns" zuzuschienen.
Und mich würde interessieren, was für ein Teeregal es ist. Eine schnelle Suche hat nichts ergeben.
vom 30.01.2017, 18.20
Das Regal war in einem anderen Blog verlinkt, aber ich finde weder Blog noch Eintrag wieder.
:-(