Vor etlichen Jahren teilte mir ein damaliger Vorgesetzter einmal mit, ich müsse dringend meine Sprache überdenken.
Es ging darum, dass ich - in einem dienstlichen Gespräch - die Schülerinnen und Schüler als "Kinder" bezeichnet hatte.
Heute fiel mir die - eigentlich längst vergessene - Situation wieder ein, als wir unseren "Kindersprechtag" - Aushang an die Tür hängten. Mangelnde Wertschätzung, aber auch mangelnde Distanz warf man mir damals vor und - so erklärte man mir wortreich - ich habe grundsätzlich und immer und vor allem ausschließlich von Schülerinnen und Schülern zu sprechen. Das versachliche das Gespräch und drücke mehr Wertschätzung gegenüber jenen Schülerinnen und Schülern aus.
Zudem wären die Rollen somit klarer definiert.
Jahrelang habe ich folgsam und sorgfältig darauf geachtet, den Begriff "Kinder" nicht mehr zu nutzen und mich wirklich bemüht, von Schülerinnen und Schülern zu sprechen. So, wie ich es in dienstlichen Dokumenten nach wie vor halte.
Irgendwann einmal fiel mir dann jedoch auf, dass der Begriff "Kinder" ein ganz wesentlicher ist in unserem beruflichen Bereich und für mich persönlich nicht derart abwertend, distanzlos und rollenunklar ist, wie seinerzeit für meinen Vorgesetzten.
Es hat lange gebraucht, ehe ich mich von den mir vorgesetzten Ansichten befreien konnte - übrigens ein wie ich finde durchaus typisches Phänomen in unserem Beruf - und heute plädiere ich ganz bewusst für den Begriff "Kinder".
Vielleicht machen wir uns nämlich viel zu selten klar, wem wir da morgens begegnen. Natürlich sind die Kinder unsere Schülerinnen und Schüler, aber eben diese sind eben entwicklungspsychologisch betrachtet "Kinder" und wir sprechen bewusst von "Kindheit" und nicht grundsätzlich von "Schulzeit". Kinder, die eben nicht dem Abbild von uns Erwachsenen entsprechen, die wie Kinder denken, fühlen und handeln.
Ich kann ein Kind kaum mehr wertschätzen, als dass ich es in seiner Kindlichkeit so annehme, wie es ist.
Denn nur dann sehe ich den Menschen ja als Ganzen und nicht selektiv in seiner Rolle als Schulkind. Ich glaube, wir müssen wieder lernen, mehr das Kind in den Blick zu nehmen und weniger den Schüler und die Schülerin, um unseren Kindern gerecht werden zu können.
Das Kind ist weitaus mehr als der Schüler am Morgen und weitaus mehr bringt es auch mit in die Schule.
Und ich möchte das wahrnehmen und sehen als Lehrerin, nicht, um weniger wertzuschätzen, sondern um MEHR wertzuschätzen und den Menschen als Ganzes zu sehen.
Kein Kind ist je ohne Geschichte, sowie kein Mensch nie ohne eigene Geschichte sein wird.
Und dann ist ja nicht zu vergessen, unsere eigene Sehnsucht, wieder mehr mit den Augen eines Kindes sehen zu können.
Die Welt mit Kinderaugen zu entdecken, mehr Freude, Unbeschwertheit, Neugierde und Lust auf das Leben zu haben.
Ich glaube, ich kann von Kindern noch sehr viel lernen.
Wären sie allein meine Schüler, ginge mir und ihnen vieles verloren!
Ich war zunächst ebenfalls erst einmal total schockiert darüber, dass dir derart der Mund verboten wurde und ein solcher Druck ausgeübt wurde. Es ist schön, dass du dich davon selber befreit hast, denn in erster Linie vertrauen uns die Eltern ihr Wichtigstes - IHRE KINDER - an. Und gemeinsam mit den Eltern wollen wir zum Wohle ihrer Kinder handeln. Für mich sind meine Schüler und Schülerinnen (auch meines Erachtens übertrieben - hoffentlich müssen wir nicht auch bald Kind und Kindin schreiben :-)) in erster Linie auch immer Kinder. Ich denke DAS hat etwas mit Wertschätzung zu tun.
vom 22.01.2017, 14.44
Ja, aber es gibt, wie auch hier zu lesen, sehr unterschiedliche Sichtweisen, was spannend ist.
Ich kann auch nichts Abwertendes an dem Wort "Kind" finden und verstehe, was Du meinst.