Es ist heiß, schon morgens fließt der Schweiß, an Lernen ist in den überhitzten Räumen - trotz Sonnenschutz - so gut wie nicht zu denken.
Zeit, das Lernen nach draußen zu verlegen.
Der heutige Wochenmarkt reizt mich spontan, denn für die kommenden Tage habe ich ein Apfelprojekt angedacht und was liegt näher, als gemeinsam die Äpfel kaufen zu gehen?
Ich freue mich riesig, dass sich die Kollegin eines dritten Schuljahres bereit erklärt mitzukommen. Kinder lernen von Kindern so viel leichter und lieber und so ziehen immer ein "großes" und ein "kleines" Kind miteinander los.
Auf dem Markt angekommen werden wir von ganz vielen älteren Menschen angesprochen, die unseren Kindern neugierig und gespannt zusehen.
Auf den Vorschlag der Kollegin, die Kinder zunächst mit ihrem Partner allein den Markt erkunden zu lassen, setzt mein Lehrerherz kurzzeitig aus und ich bin geneigt das als sehr unglückliche Idee abzutun.
Vielleicht, so fällt mir ein, ist dies jetzt genau die Zeit meines Lernens und ich entsinne mich all der Begebenheiten der letzten Tage.
Loslassen - etwas, das wir den Eltern so gerne mit auf den Weg geben und nun soll es mir selbst nicht gelingen?
Wir lassen die Kinder ziehen. Sie bekommen eine kurze Partnerzeit, um den Wochenmarkt zu erkunden und ich kann nicht umhin, ihnen doch nicht mit auf den Weg zu geben, bitte nichts anzufassen.
Als die Kinder unterwegs sind, denke ich darüber nach, wie es wäre, wenn ich einmal einen Tag all diese:
"Bitte tut dies nicht und macht jenes nicht!" fallenzulassen. Nicht mahnen, nicht fordern, nicht auffordern.
Ich kann den Gedanken nicht zuende denken, denn die Kinder kommen pünktlich und begeistert zurück.
Zeit, für ein neues Wagnis. In Kleingruppen erhalten sie Geld und einen Einkaufsauftrag.
Ich übe mich in Gelassenheit und traue einfach mal zu.
Niemand geht verloren, das Wechselgeld landet prompt bei uns und die Kinder präsentieren sehr stolz ihre Einkäufe.
Wir wissen nun wie viele Äpfel wir für 5 Euro kaufen können, wie unterschiedlich die Preise sein können, dass wir Wechselgeld nachzählen sollten und was wir auf dem Markt alles kaufen können.
Die "Großen" kümmern sich rührend und toll um die "Kleinen", ohne sie zu gängeln, zu maßregeln oder zu übergehen.
Der Ausflug verläuft harmonisch und ich habe das Gefühl selten von einer Klasse so viel lernen zu können wie von dieser.
Zurück in der Schule darf sich jeder einen ersten Apfel nehmen und wir besprechen, was wir in den nächsten Tagen alles vorhaben.
Ich bin ganz begeistert davon, was die Kinder in der kurzen Zeit schon alles mitgenommen und gelernt haben, aber noch mehr begeistert mich, was ich von ihnen lerne.
Jeden Tag mehr.
Ich möchte die Logbücher mit positiven Einträgen füllen - am Morgen hatte mich
dieser Bericht sehr berührt - aber ich schaffe nur wenige Einträge ehe Schulschluss ist und alle mir wieder einmal versichern, sie kämen morgen wieder!
In wenigen Tagen haben sich eine Menge Vorsätze in mir angehäuft. Für morgen nehme ich mir LOSLASSEN vor. Es wird sich sicher bewähren.
Danke vielmals, dass du deine Erfahrungen, Eindrücke und Gedanken mit uns teilst :-)! Der Link hat mich ebenfalls sehr berührt und ich habe ihn "als Erinnerung" an meine Kolleginnen weiter geleitet. Schule ist heute so viel mehr/anders als vor 30 Jahren, als ich angefangen habe :-)... Ich liebe meinen Beruf noch immer sehr und versuche, den kleinen Persönlichkeiten, die mir anvertraut werden, gerecht zu werden, von ihnen und mit ihnen zu lernen. Ein Spagat, wie wir alle wissen! In unserer Mehrstufenklasse etabliert sich fast automatisch so ein Helfersystem, wo die Kleinen, aber auch die Großen unheimlich von einander profitieren. Das macht das Loslassen sehr viel einfacher :-)! Vor allem, wenn dann eine "Große" meint: "Gela, ich mach das schon! Florian, schau, ... gehört dorthin!" In diesem Sinne, einen schönen Abend und wieder einmal - DANKE - für alles! Ganz liebe Grüße,
Gela
vom 13.09.2016, 20.27
Liebe Gela,
ja, Schule verändert sich - langsam aber kontinuierlich.
Danke für Deinen lieben Kommentar und herzliche Grüße
Susanne