Es gibt diese Tage, da umgibt mich vielleicht eine miese Aura. Mit Betreten des Klassenzimmers scheint sie hinterrücks, heimlich, still und leise dazu aufzufordern sich unter Tische und Bänke zu setzen, Spucke auf Hefte zu verreiben, um zu sehen, was geschieht. Papierkügelchen zunächst zu essen, dann auszuwürgen und durch die Klasse zu werfen oder gar mal zu testen, wie schmerzempfindlich der Tischnachbar eigentlich ist.
Das mag nun nach Chaos und Anarchie klingen, aber meine Aura sucht sich in der Regel nur ein einziges Kind aus, dass dann aber auch selbstverständlich sehr empfänglich für derartige Experimente ist.
So einen Tag hatten wir neulich. Das Kind fand nicht in seine Arbeit, ich fand nicht das rechte Angebot für das Kind. Auf meine zunächst freundlichen, später zunehmend weniger netten Ermahnungen reagierte das Kind immer sehr charmant mit:
"Okay, ich benehm mich jetzt!" Und der gute Vorsatz war wirklich da, ich sah das, allein es klappte an diesem Tag einfach nicht.
Als die anderen Kinder zu sehr drangsaliert wurden, wir befanden uns mittlerweile auf dem Schulhof, bat ich das Kind zu einer Nachdenkzeit zu mir. Da saß es nun brav und erklärte mir sehr zerknirscht:
"Okay, Frau Schäfer, ich denk jetzt nach!""Das ist eine gute Idee. Du könntest darüber nachdenken, wie die anderen Kinder sich fühlen, wenn du ihnen weh tust!"So saßen wir friedlich nebeneinander und hingen unseren Gedanken nach.
Nach wenigen Minuten wurde das Kind ganz unruhig, hektisch, aufgeregt:
"Frau Schäfer, ich hab so sehr nachgedacht. Kann ich wieder spielen gehen?"Schon da fiel es schwer, dem Charme nicht zu erliegen.
"Worüber hast du denn nun nachgedacht?", wollte ich wissen.
"Über Fußball!", erklärte mir das Kind, als sei es eine Selbstverständlichkeit und meine Frage sehr merkwürdig - wobei, sie war natürlich auch merkwürdig - gleichsam so, als sei alles geklärt und mir wurde wieder einmal bewusst, dass man sich diesen Kindern, ihrer Logik, ihren Gedanken und Gefühlen einfach nicht entziehen kann.
Sie stürmen mitten ins Herz, finden alle ihre Platz und hinterlassen viele minikleine Spuren.
Immer wieder und immer wieder schön.
Wir haben großes Glück!
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vom 16.11.2024, 07.32