.... oder es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Beim Lesen dieses Blogs könnte der ungewollte Eindruck entstehen, unser Schulalltag befände sich in einer von Glitzerstaub bedeckten und Seifenblasen behafteten Parallelwelt.
Dem ist selbstverständlich nicht so. Und da dem ganz und gar nicht so ist, war und ist mein Bestreben, den Blick hier auf das Positive zu fokussieren. Zudem gibt es rechtliche und moralische Grenzen, was das Beschreiben realer und vor allem konfliktbehafteter Situationen angeht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ich mich nicht einreihen mag in die Schar der anonym bloggenden Lehrer, sondern mit meinem Namen dafür einstehe, was hier geschrieben steht.
Der Alltag als Klassenlehrerin ist kaum mehr konfliktbehaftet. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Prioritäten im Schulalltag verschieben, sobald man in die Schulleitung geht. Situationen, die mich früher geärgert haben, nehme ich heute nur noch zur Kenntnis und beschäftige mich dafür mit anderen Konflikten.
Zudem habe ich als Klassenlehrerin ja bereits zwanzig Jahre Routine (entwickeln können) und bin mit sechseinhalb Jahren erst vergleichsweise kurz in der Schulleitung.
Und in diesen Jahren war ich sehr wohl das ein oder andere Mal geneigt, diese Funktion wieder aufzugeben. Die Frage nach dem:
"Was mache ich hier eigentlich?"stellt sich immer wieder einmal, insbesondere dann, wenn
ich mich in den Ungerechtigkeiten des Systems gefangen fühle
.
Dass ich niemals alles hingeworfen habe, liegt zum größten Teil an den Menschen, die mich auf meinem Weg begleiten
und denen es immer wieder gelingt, mir zu zeigen, was es wert ist, in Schulleitung zu bleiben. Und letztlich, seien wir ehrlich, habe ich nach wie vor Visionen und bin mit ganzem Herz und all meiner Leidenschaft Schulleitung und das trotz aller Widrigkeiten gern.
Der Verwaltungsaufwand ist in den vergangenen sechs Jahren erheblich angestiegen.
Mein Eindruck ist der, dass
Formulare immer umfangreicher und komplizierter werden, es mehr und mehr verbindliche Statistiken gibt, die regelmäßig erstellt und regelmäßig fortgeführt werden müssen
und wir rasch zu einer Aktenschule verkommen könnten, wenn wir uns nur und ausschließlich einbinden ließen in diese Mail-, Umfrage- und Dokumentationsflut.
Das ist der Part der Arbeit, die wenig Freude bereitet, zeitintensiv ist und
- so scheint es - uns vor Ort nicht weiterbringt. Eben etwas, was gemacht werden muss. Leidenschaftslose Pflichterfüllung.
Der Vormittag wäre leicht gefüllt mit all diesen Arbeiten
, die ich frühmorgens vor dem Unterricht oder im Anschluss daran angehe und auf ein Minimum zu reduzieren versuche.
Nicht zu vergessen, nicht alleine angehen und bearbeiten muss, sondern wir den Luxus genießen, als Schulleitungsteam arbeiten zu können. Anders ginge es von der Größe der Schule und mit eigener Klassenführung auch gar nicht.
Weitaus anstrengender sind die Konflikte, die an Schulleitung herangetragen werden oder aber durch und mit Schulleitung erst initiiert werden. Die Spanne ist groß und reicht von Kindern, die sich nicht an Regeln halten, über Schulabstinenzler bis hin zu Flüchtlingskindern ohne jegliche Deutschkenntnisse
, höchstgradig traumatisiert und nun mit einem Male eingebunden in ein recht starres Schulsystem,
was den Kolleginnen und Kollegen einiges an Kraft, Energie und Einfallsreichtum abverlangt.
Nicht zu vergessen die Schwierigkeiten, die durchaus im Bereich der Elternarbeit auftreten - denn bei über 300 Kindern finden sich immer Eltern, die berechtigter - oder auch mal unberechtigterweise Kritik üben, andere Vorstellungen von Schule und Unterricht haben oder bestimmte Situationen aus Elternsicht einfach anders wahrnehmen, als wir in unserer Lehrerrolle.
Kooperationspartner möchten nicht immer unbedingt kooperieren, sondern gerne mal bestimmen, wie wir Schule zu leiten haben und
üben hin und wieder weitaus mehr Einfluss auf den schulischen Alltag aus, als dieser verkraften kann.
Wir hängen in einem System, in dem zu viel in Schule "hineingetopft" wird und letztlich steigt die Qualität nicht mit der Fülle an zusätzlichen Angeboten, sondern es wird ein wahrer Kraftakt, alles unter einen Hut zu bringen und gelingt - sofern man nicht aufpasst - macnhmal nur auf Kosten der Qualität - etwas, das nicht hinnehmbar
ist und was ganz klar in die Zuständigkeiten von Schulleitung gehört, darum zu kämpfen, das Qualität im Vordergrund steht und Schule nicht zu einem Massenabfertigungsbetrieb wird.
Da kann es an der ein oder anderen Stelle zu Konflikten mit Kooperationspartnern kommen, die - konstruktiv - zu lösen unsere nicht immer unanstrengende Aufgabe ist.
Und da überall und immer unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten aufeinandertreffen, kostet es in einigen Situationen ganz erhebliche Kraft die emotionale Ebene zur Seite zu schieben und sachlich und fundiert nach Lösungen zu suchen.
Natürlich bringt mir das die ein oder andere schlaflose Nacht ein, alles andere wäre gelogen. Zum einen wache ich nachts auf mit einer ellenlange to-do-Liste im Kopf, der ich im Dunkeln liegend noch rasch einige Punkte zufüge, in der Hoffnung, sie am Morgen nicht wieder vergessen zu haben.
Und der Glitzerstaub ist spätestens dann verloren, wenn Konflikte im eigenen Team auftreten und diese nicht so gelöst werden können, wie es für alle Beteiligten und vorrangig natürlich für das Schulleben und die Kinder, am besten wäre.
All das ist jedoch - und wird es vermutlich auch immer bleiben - unsere schulische Realität. Da gibt es eben jene Tage, an denen sich das Universum gegen einen verschworen zu haben scheint und man mit der Ungerechtigkeit des Systems nur schwerlich zurecht kommt.
Da zeigt der Körper schonmal an, dass eine Grenze überschritten wurde und man nun vielleicht besser einmal einige Gänge hinunterfahren sollte.
Das ist an unserer Schule nicht anders, als an anderen Schulen. Auch bei uns glitzert es nur, wenn wir es glitzern lassen. Und manchmal kommt etwas dazwischen, das den Glitzerstaub auffängt, bevor er uns erreicht und das Leben zeigt uns eine lange Nase.
Natürlich könnte ich auch darüber schreiben. Über Wut und Verunsicherungen, über Selbstzweifel und Mutlosigkeit. Ich habe mich aber bewusst dagegen entschieden, um ein Zeichen zu setzen.
Ein Zeichen dafür, dass der Glitzerstaub und die Seifenblasen trotz allem da sind. Manchmal fällt es uns nur schwer, sie zu sehen und aufzufangen.
Hier soll ein Ort sein, an dem das gelingt.
Das brauchen wir.
Das tut uns gut.
Das ist heilsam und versöhnend.
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vom 16.11.2024, 07.37