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Einträge vom: 14.09.2016

Individualisten

Die Balance zu halten zwischen dem, was Kinder zu Individualisten macht und dem Regelgefüge einer Gemeinschaft bzw. Institution wie der Schule ist nicht immer einfach.
Es gibt mittlerweile unzählige Bücher, die anprangern, dass unsere Kinder Egoisten sind, kleine Tyrannen, selbstbezogen, egozentrisch und kleine Prinzen und Prinzessinnen.

In einer Gruppe ist das anstrengend, manchmal wenig konstruktiv und uns als Lehrer oft ein Dorn im Auge.

Andererseits möchten wir die Kinder zu mündigen Bürgern erziehen, sie nicht mundtot machen, ihre eigene Meinung stärken, ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aufbauen und ihnen verdeutlichen: "Du bist toll, so wie Du bist!"

Und nun müssen wir Wege finden, zwischen beiden Elementen die Balance zu halten.
Entscheiden, wann ist es lohnenswert das Indviduelle zugunsten einer Gemeinschaft oder eventuell des eigenen Lernens aufzugeben bzw. auf Regeleinhaltung und Aufgabenformate zu bestehen.

Im ersten Schuljahr stehe ich sehr oft vor Situationen, in denen ich entscheiden muss: Machen lassen oder intervenieren.
Der bequeme Weg, der Mittelweg, ist nicht immer gegeben und man muss ad hoc entscheiden.
Mal passt es, mal passt es nicht.

Heute, so schrieb ich gestern, wollte ich mich ja mit dem LOSLASSEN beschäftigen und ich habe kläglich versagt.




Meinen Redeanteil wollte ich reduzieren, die Kinder mehr machen lassen, weniger Vorgaben machen, Freiheiten einräumen.
Ich fand, in der Theorie klang das einleuchtend und einfach.

Während man bei kleineren Handgreiflichkeiten ganz sicher sein kann, dass Individualität gerade mal zurückstecken sollte, sah es dann im Unterricht ganz anders aus.

Neulich noch offenherzig die Herzen geliebt, war ich heute sichtlich irritiert, als ich den gemalten Waggon eines Kindes sah. Mit Wasserfarbe und viel Liebe und Motivation gezeichnet - keine Frage.

Im Kreis jedoch hatten wir zuvor besprochen - übrigens eine Idee der Kinder - Äpfel zu zeichnen, um einen großen Apfelbaum zu erschaffen.
Gemeinsam einigten wir uns auf die Bildform und was entstehen sollte.

Nun sah ich also den Waggon.
"Das ist gar kein Apfel!", rief ein Kind und zeigte auf das Bild. "Frau Schäfer, wir wollen doch Äpfel malen!"

"Das ist ein Auto!", erklärte der Künstler und weiter: "Ich will lieber ein Auto malen!"
Während ich noch ganz erleichtert war, weil ich das Auto noch nicht öffentlich als Waggon bezeichnet hatte, entwickelte sich der folgende Dialog:

"Wir haben gesagt, wir malen Äpfel und keine Autos!", sprach ein Kind der Klasse, das recht empört war über das Autobild.

"Ich mag gar keine Äpfel!", erwiderte der Autozeichner.

"Ja, aber man kann nicht immer malen was man will!", erklärte ein anderes Kind "und ein Auto am Apfelbaum geht nicht!"

Ein drittes Kind kam hinzu und ich lauschte gespannt: "Wir haben Äpfel ausgemacht! Und Frau Schäfer wollte Mathe. Und nun malen wir Äpfel!" kurzes ernsthaftes Nachdenken des Kindes, dann: "Oder wir tun so, als ob das Auto die Äpfel dann wegfährt!"

Einstimmiges Nicken.
Alle zufrieden.

Mein Herz geht auf und ich bin stolz auf diese Kinder, die alles so viel einfacher regeln, als ich es je könnte.

Susanne Schäfer 14.09.2016, 19.52| (3/3) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedanken

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Katharina
So eine tolle Seite mit so vielen Inspirationen! Vielen herzlichen Dank dafür.
13.7.2020-9:54
Anne
Liebe Susanne, erst einmal ein großes Lob für die vielen liebevoll gestalteten Dinge. Ich möchte im neuen Schuljahr auch eine Eisbärenklasse starten. Gibt es schon Schilder für die Tafel mit den Unterrichtsstunden? LG
21.5.2017-17:17
Melanie
Liebe Susanne,
vielen Dank für deine tollen Texte, darin kann man sich wirklich stundenlang verlieren!
Am Schuljahresanfang hattest du Auf- und Einräumbilder deines Klassenraumes gepostet, mich würde mal interessieren, wie es jetzt so bei dir aussieht, nachdem darin schon eine ganze Weile gelebt wird.
Es grüßt dich ganz herzlich,
Melanie
14.5.2017-19:18
Pepe
Weil nicht sein darf, was nicht sein soll! Mutige, offene Worte. Vielen Dank dafür, Susanne. Genau so sieht es aus.
23.2.2017-16:37
Melli
Liebe Susanne, ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, um dir ganz ganz herzlich für die tolle Idee und natürlich deine süßen Materialien zum Märchentag zu danken. Wir begehen seither den "Märchenfreitag" (stundenplanbedingt) und meine Erstklässler lieben es! Gerade für meine sehr spracharmen Kinder ist es eine tolle Möglichkeit, den Wortschatz zu erweitern und sie zum Sprechen und Erzählen anzuregen. Und ähnlich wie du habe auch ich einen ungemeinen Spaß daran, jede Woche ein neues Märchen vorzubereiten und mal keine Buchstabeneinführung ö.ä. zu machen. Also lieben, lieben Dank!!!
18.2.2017-11:02
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